Tape Control 06 1993

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Das Leben ist hart und deshalb muß auch die Musik hart sein, die unser Leben wirklich real wiederspiegeln soll. Härte vebietet Schnörkel, untersagt Kompromisse und Zaudern. Das haben inzwischen viele Bands begriffen. Nur ist es immer noch zu selten, daß eine Band das Klassenziel auch wirklich erreicht. Wir wissen von Fleischmann und Syksy, von anderen auch und eigentlich haben wir es auch schon längst von Orgasm Death Gimmick gewußt. Es wurde nur mal wieder Zeit, daß sie es uns in Erinnerung bringen. Das passiert jetzt mit dem dritten Tape der Band und es ist das erste Tape, das auch für die vielen KonzertbesucherInnen gedacht ist, denn es ist käuflich. Die Doppeldeutigkeit dieses Wortes soll nur darauf hinweisen, daß der Band ein richtiger vertrag mit einem richtigen Label irgendwie gut tun würde. Aber da sollen sich die A&R-Fritzen mal die Rübe zerbrechen. Die brilliant produzierten Songs auf dem Band wurden im Wydoks-Studio inner Schönhauser eingespielt, wo es natürlich eine Menge guter Ohren für saubere Gitarrenarbeit gibt. Orgasm Death Gimmick ist eine der Bands, die es schaffen auf einem international gefärbten Teppich ihre eigenen Vorstellungen so zu placieren, daß sich jedes Gewichse über 2nd Hand Grooves verbietet. Und weiß Gott: die Grooven was das Zeug hält und können dabei trefflich zuschlagen. es ist irgendwie (noch) nicht so unerbittlich wie Fleischmann, dabei aber auch ausgeruhter, was vermuten läßt, daß es genau darum geht: sei nicht hastig, dann bist du stark. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Für das zweite Tape habe ich mir wirklich viel Zeit genommen. In die Hand gedrückt wurde es mir beim letzten Redaktionsschluß und jetzte, einen Monat später scheint mir, als hätte ich mich...ne: nicht dran gewöhnt, es ist doch besser, als die Sachen, von denen wir bislang aus dem Kannibalen-Cartell bespielt wurden. Kampanella is Dead ist mal wieder auf der Suche nach neuen Freunden. Diese Suche hat ja nun schon fast historische Dimensionen. Diesmal wurden 8 Songs auf eine Kassette gespielt, die vom Produktionsstandart mindestens so gut sind, wie die dazumal fabrizierten AMIGA-Recordings. Igrendwie leichter und unbeschwerter, was ja auch klar ist, weil die Mauer nicht mehr steht. Da gehts dann auch gleich nach San Tropez und es wird leckeres für die Eskimos gekocht. Der "Unknown Friend" von der ersten 12" der Band ist auch gleich nochmal mit drauf. Und rundrum ein Cover von Renate, dafür aber keine Adresse und solche unwichtigen Sachen. Es ist eben alles ein großer Lernprozess.

So ein wenig in der selben Ecke, wie Kampanella treffen wir eine Band aus dem alten Westen von Berlin: Jeszica's Crime. Ich weiß ja, daß die Sache mit den Ecken immer ein großes Problem ist. Ich will mich da auch nicht weiter dran aufspulen. Es ist eben diese getriebene Traurigkeit, die mir bei beiden Bands auffällt und genau da unterscheiden sie sich ja von O.D.G. und den anderen "harten" Kapellen. Da ist dieses trotzig schreiende Mitleid, das immer Mitleid erheischt und dann auch aufwendig herumarrangierte Songs, wie das schöne "To a Girl". Und als Zugabe stirbt Bela Lugosi, fast so, wie ihn Bauhaus zu Grabe getragen hat.

Gerade bin ich nochmal unten, in der Drogerie gewesen, um ein paar Taschentücher für meine Rotznase zu holen und eher routinemäßig in den Briefkasten zu schauen, da lächelt mich doch wirklich ein weiteres kleines Band an. Ich nehme mal an, daß es sich hier um das Demo zu einer weiteren EP einer unserer Lieblingsbands handelt: Ichfunktion 5 Songs aus dem Vielklangstudio, in der linken Herzklappe von Kreuzberg. Die Stücke sind natürlich wieder aus der alten Zeit... Zumindest ein paar. Der "Faschist" von der Firma ist dabei und "Mirco Meineid", aber auch das bereits von "Hallo 13" bekannte "Dreck in your mind". Eben ein paar Lieder aus der alten Schweinerepublik. Und dazu das schmale Bändchen, das Key Pankonin gerade in der UVA veröffentlicht hat. Aber das ist was für die Buchbesprecher unter uns allen.

Die Skagga-Beat-Szene von Leipzig hat seit einiger Zeit ein weiteres Highlight anzubieten: Ten Colors. Für mich ist es immer wieder erstaunlich, wie in einer möhligen Stadt, wie Leipzig, solch sonnige Musik gemacht werden kann. Wann immer ich in die Mauern meiner Geburtsstadt zurückkehre bietet sich ein Bild chaotischer Unaufgeräumtheit. Das hat sich in den letzten 40 Jahren irgendwie nicht geändert. Möglicherweise ist Musik, wie sie von Ten Colors und ähnlichen Bands gemacht wird, eine einigermaßen wirksame Gegenwehr. Ganz spaßig ist das Heimatlied über Connewitz, das ja im "Beatradio D" von DT64 bereits zu Hit-Ehren gekommen ist. Eine gute Welt-Ska-Band, die hoffentlich auch bald ihr Label findet.

Tja, was haben wir denn hier noch: The Art of Rime (T.A.O.R.) ist eine Band aus Eggersdorf bei Berlin. Irgendiwe versuchen die das Gleiche wie Orgasm Death Gimmick, haben aber nicht die Prägnanz und sind schon gar nicht konseuqent genug, um etwa vorhandene Wut musikalisch umzusetzen. Da und dort schimmert dann auch ein verträumtes Lied durch und dann wurden entschieden zu viel Echos unter den Gesang gelegt.

Auch nicht ganz entschieden, ob sie nun liebe Jungs von Nebenan oder Hüften groovende Rockändroller sein wollen scheinen sich die Männer von Ragged Garden. Zu viel Attitüde, zuwenig Ideen. Selbst der Versuch, deutsch zu singen bleibt noch Versuch. Aber so ist das am Anfang wohl.

Ganz komisch und mit eher traditionellem Verständnis für den Umgang mit deutscher Sprache plus Rockmusik gesegnet ist die Hamburger Band Zimbo. Auf ihrer Demokassette hören wir Geschichten vom Sexfeind und Eugen, der offenbar etwas zu verbergen hat. Produziert hat das Tape Katrin Achinger im Knochenhaus zu HH im letzten Dezember. Wenn es nicht so komisch wär, fänd ichs eher durchschnittlich.

Aus einem Neubrandenburger Übungskeller hat die Redaktion ein Tape von Haftbefehl erreicht. Da haben wir wiedermal den traditionellen Deutschpunk, der sich natürlich mit den Dingen des Lebens auseinandersetzt: Totalverweigerung, Keine Chance, Dream of Anarchy undso. Das wäre dann auch das Motto für diesen Monat: es muß mehr geben, als alles auf der Welt. Gibt es auch, aber fragt mich nicht, wo.