Kategorie:Samisdat: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Parocktikum Wiki
K
K
Zeile 1: Zeile 1:
Abgeleitet vom russischen Begriff "сам-издательство" (sam-isdatelstwo = Selbstverlag), Herausgabe von ''"nicht systemkonformer, zumeist verbotener (...) Literatur über nichtoffizielle Kanäle"'', ab den 1950er Jahren in der UdSSR, später im gesamten Ostblock.
Abgeleitet vom russischen Begriff "сам-издательство" (sam-isdatelstwo = Selbstverlag), Herausgabe von ''"nicht systemkonformer, zumeist verbotener (...) Literatur über nichtoffizielle Kanäle"'', ab den 1950er Jahren in der UdSSR, später im gesamten Ostblock.


Im Ursprung ging es dabei um die Verbreitung von bereits existierenden Büchern und Schriften, die im jeweiligen Land unverlegt, unerwünscht oder gänzlich verboten waren. Später wurde es, neben Lesungen im privaten Kreis, die einzige Möglichkeit, auch neue, aktuelle literarische Texte (Gedichte, Songtexte, Prosa) außerhalb des in der Regel strikt staatlich kontrollierten Verlagswesens einem größeren Publikum bekannt zu machen.<br>Im hier gemeinten Sinne und betroffenen Zeitraum nutzten (verstärkt) in den 1980er Jahren der DDR Literaten und Künstler eine gesetzliche Ausnahme vom staatlichen Imprimatur-Zwang als Publikations-Lücke: bis zu einer Auflage von 99 Exemplaren durften künstlerische Werke auch ohne eine derartige Druckgenehmigung vervielfältigt werden. Dies geschah mangels konventioneller (und streng kontrollierter) Drucktechnik mit Hilfe von Schreibmaschinendurchschlägen, Fotoabzügen oder verschiedenen grafischen Techniken, weshalb hier häufig auch von "originalgrafischen" Mappenwerken, Büchern und später auch Zeitschriften gesprochen wird. Ab 1982 entstanden eine ganze Reihe periodisch erscheinende Literatur- und Kunstzeitschriften nach ähnlichem Schema und mit vielfach gleichem Personal an Fotografen und Grafikern, Dichtern, Schriftstellern und Autoren wie z.B. [[Sascha Anderson]], [[Bert Papenfuß-Gorek|Bert Papenfuß]], [[Peter Wawerzinek]], [[Heinz Havemeister]], [[Claus Löser]], [[Florian Merkel]] und [[Gabriele Stötzer|Gabriele Kachold (Stötzer)]]. Diese Durchmischung resultierte aus den DDR-weiten semi-offiziellen Netzwerken, in denen sich in der Regel alle daran Beteiligten bewegten, und von denen immer die jeweiligen Herausgeber neben dem künstlerisch-intellektuellem Austausch auch einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen konnten, denn diese Erzeugnisse wurden als limitierte Kunstobjekte von Sammlern sowohl im In- wie im Ausland geschätzt und erworben.<br>Relevant für das Parocktikum ist die Tatsache, daß zu den Beilagen dieser Samisdat-Zeitschriften auch immer wieder Tonträger (in der Regel Tapes) gehörten. Es gehörte zum Kontext der medialen Grenzüberschreitungen in der oppositionellen Kultur der DDR, daß sich bildende Künstler auch mit Musik auszudrücken versuchten, kunstaffine Musiker sich als Maler betätigten, und dissidente Lyrik als Songtexte Verwendung und Verbreitung fand. Aber auch klassische bzw. performative Lesungen wurden als Tonkonserven genutzt.<br>Die systematische Aushebelung des Druck- und Verlagsmonopols der DDR durch die Samisdat-Editionen wurde mit ganz wenigen Ausnahmen (z.B. Verbot der "Galeere" 1986) staatlich geduldet, ebenso wie die ab 1986 stark anschwellende Tätigkeit von reinen Musik-Tape-Labels, die rechtlich durch keinerlei Ausnahmen vom Imprimaturzwang gedeckt war. Dennoch ist anzumerken, daß die Tonträger-Beilagen der originalgrafischen Zeitschriften demgegenüber zumindest formalrechtlich legal waren. Ansonsten wurde auch die Samisdat-"Szene" durch eine ganze Reihe prominenter und gleichzeitig als Stasispitzel tätiger Beteiligter wie [https://de.wikipedia.org/wiki/Sascha_Anderson Sascha Anderson], [https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Schedlinski Rainer Schedlinski] oder [https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Linke Robert Linke] durch das MfS "begleitet". Auf der anderen Seite wurde z.B. gegen [[Frank Bretschneider|Bretschneider]] (OPK "Sieb") und [[Claus Löser|Löser]] (OPK "Lyra"), sowie [[Matthias BAADER Holst]] (OPK "Barkasse") und sogar [[Aljoscha Rompe]] (OV "Kalender") explizit wegen ihrer Samisdat-Aktivitäten durch die Staatssicherheit ermittelt.<br>Hier aufgeführt sind die meisten bekannten originalgrafischen Zeitschriften der DDR mit Erscheinungsort und -zeitraum. Editionen mit (*) enthielten Tonträger-Beilagen, bei anderen sind in Klammern namhafte Herausgeber und Mit-Autoren genannt.
Im Ursprung ging es dabei um die Verbreitung von bereits existierenden Büchern und Schriften, die im jeweiligen Land unverlegt, unerwünscht oder gänzlich verboten waren. Später wurde es, neben Lesungen im privaten Kreis, die einzige Möglichkeit, auch neue, aktuelle literarische Texte (Gedichte, Songtexte, Prosa) außerhalb des in der Regel strikt staatlich kontrollierten Verlagswesens einem größeren Publikum bekannt zu machen.<br>Im hier gemeinten Sinne und betroffenen Zeitraum nutzten (verstärkt) in den 1980er Jahren der DDR Literaten und Künstler eine gesetzliche Ausnahme vom staatlichen Imprimatur-Zwang als Publikations-Lücke: bis zu einer Auflage von 99 Exemplaren durften künstlerische Werke auch ohne eine derartige Druckgenehmigung vervielfältigt werden. Dies geschah mangels konventioneller (und streng kontrollierter) Drucktechnik mit Hilfe von Schreibmaschinendurchschlägen, Fotoabzügen oder verschiedenen grafischen Techniken, weshalb hier häufig auch von "originalgrafischen" Mappenwerken, Büchern und später auch Zeitschriften gesprochen wird. Ab 1982 entstanden eine ganze Reihe periodisch erscheinende Literatur- und Kunstzeitschriften nach ähnlichem Schema und mit vielfach gleichem Personal an Fotografen und Grafikern, Dichtern, Schriftstellern und Autoren wie z.B. [[Sascha Anderson]], [[Bert Papenfuß-Gorek|Bert Papenfuß]], [[Peter Wawerzinek]], [[Heinz Havemeister]], [[Claus Löser]], [[Florian Merkel]] und [[Gabriele Stötzer|Gabriele Kachold (Stötzer)]]. Diese Durchmischung resultierte aus den DDR-weiten semi-offiziellen Netzwerken, in denen sich in der Regel alle daran Beteiligten bewegten, und von denen immer die jeweiligen Herausgeber neben dem künstlerisch-intellektuellem Austausch auch einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen konnten, denn diese Erzeugnisse wurden als limitierte Kunstobjekte von Sammlern sowohl im In- wie im Ausland geschätzt und erworben.<br>Relevant für das Parocktikum ist die Tatsache, daß zu den Beilagen dieser Samisdat-Zeitschriften auch immer wieder Tonträger (in der Regel Tapes) gehörten. Es gehörte zum Kontext der medialen Grenzüberschreitungen in der oppositionellen Kultur der DDR, daß sich bildende Künstler auch mit Musik auszudrücken versuchten, kunstaffine Musiker sich als Maler betätigten, und dissidente Lyrik als Songtexte Verwendung und Verbreitung fand. Aber auch klassische bzw. performative Lesungen wurden als Tonkonserven genutzt.<br>Die systematische Aushebelung des Druck- und Verlagsmonopols der DDR durch die Samisdat-Editionen wurde mit ganz wenigen Ausnahmen (z.B. Verbot der "Galeere" 1986) staatlich geduldet, ebenso wie die ab 1986 stark anschwellende Tätigkeit von reinen Musik-Tape-Labels, die rechtlich durch keinerlei Ausnahmen vom Imprimaturzwang gedeckt war. Dennoch ist anzumerken, daß die Tonträger-Beilagen der originalgrafischen Zeitschriften demgegenüber zumindest formalrechtlich legal waren. Ansonsten wurde auch die Samisdat-"Szene" mittels einer ganze Reihe prominenter und gleichzeitig als Stasispitzel tätiger Beteiligter wie [https://de.wikipedia.org/wiki/Sascha_Anderson Sascha Anderson], [https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Schedlinski Rainer Schedlinski] oder [https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Linke Robert Linke] durch das MfS "begleitet". Auf der anderen Seite wurde z.B. gegen [[Frank Bretschneider|Bretschneider]] (OPK "Sieb") und [[Claus Löser|Löser]] (OPK "Lyra"), sowie [[Matthias BAADER Holst]] (OPK "Barkasse") und sogar [[Aljoscha Rompe]] (OV "Kalender") explizit wegen ihrer Samisdat-Aktivitäten durch die Staatssicherheit ermittelt.<br>Hier aufgeführt sind die meisten bekannten originalgrafischen Zeitschriften der DDR mit Erscheinungsort und -zeitraum. Editionen mit (*) enthielten Tonträger-Beilagen, bei anderen sind in Klammern namhafte Herausgeber und Mit-Autoren genannt.


* "A DREI", Karl-Marx-Stadt 1983 - 198? (Grafik-Edition von [[Frank Bretschneider]] & [[Claus Löser]], * in Nr.10 und 12)
* "A DREI", Karl-Marx-Stadt 1983 - 198? (Grafik-Edition von [[Frank Bretschneider]] & [[Claus Löser]], * in Nr.10 und 12)

Version vom 8. August 2023, 16:19 Uhr

Abgeleitet vom russischen Begriff "сам-издательство" (sam-isdatelstwo = Selbstverlag), Herausgabe von "nicht systemkonformer, zumeist verbotener (...) Literatur über nichtoffizielle Kanäle", ab den 1950er Jahren in der UdSSR, später im gesamten Ostblock.

Im Ursprung ging es dabei um die Verbreitung von bereits existierenden Büchern und Schriften, die im jeweiligen Land unverlegt, unerwünscht oder gänzlich verboten waren. Später wurde es, neben Lesungen im privaten Kreis, die einzige Möglichkeit, auch neue, aktuelle literarische Texte (Gedichte, Songtexte, Prosa) außerhalb des in der Regel strikt staatlich kontrollierten Verlagswesens einem größeren Publikum bekannt zu machen.
Im hier gemeinten Sinne und betroffenen Zeitraum nutzten (verstärkt) in den 1980er Jahren der DDR Literaten und Künstler eine gesetzliche Ausnahme vom staatlichen Imprimatur-Zwang als Publikations-Lücke: bis zu einer Auflage von 99 Exemplaren durften künstlerische Werke auch ohne eine derartige Druckgenehmigung vervielfältigt werden. Dies geschah mangels konventioneller (und streng kontrollierter) Drucktechnik mit Hilfe von Schreibmaschinendurchschlägen, Fotoabzügen oder verschiedenen grafischen Techniken, weshalb hier häufig auch von "originalgrafischen" Mappenwerken, Büchern und später auch Zeitschriften gesprochen wird. Ab 1982 entstanden eine ganze Reihe periodisch erscheinende Literatur- und Kunstzeitschriften nach ähnlichem Schema und mit vielfach gleichem Personal an Fotografen und Grafikern, Dichtern, Schriftstellern und Autoren wie z.B. Sascha Anderson, Bert Papenfuß, Peter Wawerzinek, Heinz Havemeister, Claus Löser, Florian Merkel und Gabriele Kachold (Stötzer). Diese Durchmischung resultierte aus den DDR-weiten semi-offiziellen Netzwerken, in denen sich in der Regel alle daran Beteiligten bewegten, und von denen immer die jeweiligen Herausgeber neben dem künstlerisch-intellektuellem Austausch auch einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen konnten, denn diese Erzeugnisse wurden als limitierte Kunstobjekte von Sammlern sowohl im In- wie im Ausland geschätzt und erworben.
Relevant für das Parocktikum ist die Tatsache, daß zu den Beilagen dieser Samisdat-Zeitschriften auch immer wieder Tonträger (in der Regel Tapes) gehörten. Es gehörte zum Kontext der medialen Grenzüberschreitungen in der oppositionellen Kultur der DDR, daß sich bildende Künstler auch mit Musik auszudrücken versuchten, kunstaffine Musiker sich als Maler betätigten, und dissidente Lyrik als Songtexte Verwendung und Verbreitung fand. Aber auch klassische bzw. performative Lesungen wurden als Tonkonserven genutzt.
Die systematische Aushebelung des Druck- und Verlagsmonopols der DDR durch die Samisdat-Editionen wurde mit ganz wenigen Ausnahmen (z.B. Verbot der "Galeere" 1986) staatlich geduldet, ebenso wie die ab 1986 stark anschwellende Tätigkeit von reinen Musik-Tape-Labels, die rechtlich durch keinerlei Ausnahmen vom Imprimaturzwang gedeckt war. Dennoch ist anzumerken, daß die Tonträger-Beilagen der originalgrafischen Zeitschriften demgegenüber zumindest formalrechtlich legal waren. Ansonsten wurde auch die Samisdat-"Szene" mittels einer ganze Reihe prominenter und gleichzeitig als Stasispitzel tätiger Beteiligter wie Sascha Anderson, Rainer Schedlinski oder Robert Linke durch das MfS "begleitet". Auf der anderen Seite wurde z.B. gegen Bretschneider (OPK "Sieb") und Löser (OPK "Lyra"), sowie Matthias BAADER Holst (OPK "Barkasse") und sogar Aljoscha Rompe (OV "Kalender") explizit wegen ihrer Samisdat-Aktivitäten durch die Staatssicherheit ermittelt.
Hier aufgeführt sind die meisten bekannten originalgrafischen Zeitschriften der DDR mit Erscheinungsort und -zeitraum. Editionen mit (*) enthielten Tonträger-Beilagen, bei anderen sind in Klammern namhafte Herausgeber und Mit-Autoren genannt.

Quelle: "D1980D1989R / Künstlerbücher und originalgrafische Zeitschriften im Eigenverlag / Bibliografie" (Merlin-Verlag, Gifkendorf 1991)

Netzinfo zu Samisdats in der DDR: Wikipedia | Unabhängige DDR-Zeitschriften (Übersicht)