Kaltfront

Aus Parocktikum Wiki

Dresdner Punkrocklegende der 80er Jahre, 1986 bis 1990 / Re-Union 2005.

Entstanden 1986 in Dresden aus der Asche der Underground-Punkbands Paranoia und Suizid. In der Folgezeit erspielte man sich nach erfolgreicher "Einstufung" (Januar 1987) mit unzähligen Gigs in der gesamten ehemaligen DDR eine treue Fangemeinde. Da unter den damaligen Umständen in der DDR für Punkbands keine Möglichkeit bestand, Schallplatten zu veröffentlichen, nahm man Tapes auf und brachte diese im Fankreis in Umlauf. Ab März 1987 bekam die Band so auch Radio-Airplay über die DT64-Sendung "Parocktikum", im Juni 1987 folgte gar eine Einladung der FDJ zur "Werkstattwoche der Amateurtanzformationen des Bezirkes Dresden". Hier debütierte Tom Wittig als Sänger, nachdem Kannä zum Bausoldaten-Wehrdienst einberufen worden war. Doch die strategisch geplante, scheinbare "Öffnung" in der DDR-Jugendpolitik erzeugte nicht zuletzt bei der Band selbst zunehmend ambivalente Gefühle. Das Zugeständnis an die staatlichen Regularien zugunsten einer erhöhten Breitenwirkung ging auf Kosten der Glaubwürdigkeit bei einem wichtigen Teil ihrer Fans und Zuhörer, die das neu erreichte, aber weniger politisierte Publikum kaum ausgleichen konnte. Auch mit der Motivation der weiteren, später so genannten "anderen bands" konnten sich Kaltfront nicht identifizieren. Ein geplanter Live-Mitschnitt für das "Parocktikum" wurde 1988 zum Prüfstein für die Integrität der Musiker: da sie jeden Eingriff in ihre Texte ablehnten, wurde das Projekt nach längeren Diskussionen abgesagt. Danach war von Auflösung die Rede, erst mit der Rückkehr von Kannä Ende 1988 (Tom Wittig wechselte zu den Cosmic Comic Connection Cowboys) begann die Rückbesinnung auf straighteren Punkrock. Im Herbst 1989 siedelten Kannä und Schlagzeuger Tom dann noch illegal in die BRD über. Nach diesem weiteren potentiellen Ende der Band wurden einige Auftritte mit R.J.K.K.Hänsch am Gesang und Micha Schroeder an den Drums realisiert. Für das vorerst endgültige Abschiedskonzert von Kaltfront im April 1990 in der Dresdner „Scheune“ als Support der Toten Hosen kehrte Kannä schließlich noch einmal aus dem westdeutschen Exil zurück.
Doch das Interesse an der Musik von Kaltfront ließ auch in den 90er Jahren nicht nach. Die alten Tapes wurden von einer neuen, jüngeren Punk-Generation kopiert und weiter verbreitet. 2000 veröffentlichte das kleine Label Rundling die LP "Live 1988". Nachdem sie sich jahrelang anderen musikalischen Projekten gewidmet hatten, entschlossen sich die Kaltfront-Musiker 2005 wieder zusammen zu spielen. Nach einem unangekündigten „Überraschungsauftritt“ im Oktober, fand am 9. Dezember 2005 das gefeierte Reunionkonzert im Kurländer Palais in Dresden statt. Die Resonanz war überwältigend und auch die nachfolgenden Konzerte zeigten, dass Kaltfront nichts von ihrer Relevanz verloren haben. 2006 erschien die Greatest-Hits-LP "Zieh dich warm an", und seitdem bisher drei komplett neue Alben. Seit 2012 heißt es auch bei dieser Band "Punk für Generationen", denn in diesem Jahr übernahm der Sohn von Bassist Sonic die Gitarre.

Die Band im Netz: www.kaltfront-dresden.de | kaltfront.bandcamp.com

Besetzung

  • "Kannä" - voc (1986/87, wieder 1989 und 1990) / Thomas "Tom" Wittig - voc (1987/88, wieder ab 2005)
  • Blitz (= Jens Dittschlag) - g, voc (1986 - 1989, wieder 2005 bis 2012?, ex- Suizid) / Willi Löffler - g (seit 2012)
  • Raoul Schweder (Raul O'Connor) - g (1989/90)
  • Sonic Joerg (= Jörg Löffler) - bg (ex- Rotzjungen, Paranoia)
  • Donald (Schönfelder) - dr (1986 - 1988) / Tom Gross - dr (1989, Freunde der italienischen Oper) / Micha Schroeder - dr (1990 / 2005 - 2015, ex- C4 Space) / Olli Kunze - dr (2015, Risk It!, StrgZ) / Tide - dr (seit 2016)

Musik

Lesen

"Im Tal der Ahnungslosen: Untergrund in Dresden" von Ronald Reagan, in: Galenza / Havemeister 1999, S.146ff.


Live "Beat Inn" Freilichtbühne Berlin-Weissensee am 31.07.1988<br>Foto © Stefan Mai
Live "Beat Inn" Freilichtbühne Berlin-Weissensee am 31.07.1988<br>Foto © Stefan Mai
Live AJZ Chemnitz am 10.10.2009 <br>Foto © Lutz Schramm